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Computerspiele als ergodische Literatur und Herausforderungen für den Deutschunterricht (SoSe 2014)

Computerspiele als ergodische Literatur – Marcel Schellong, Andreas Schöffmann

Computerspiele sind Spielhandlungsräume, die Spielhandlungen mit Erzählhandlungen zusammenführen können. Sie folgen den kulturellen Bedingungen und Möglichkeiten von Spielen, können dabei aber auf das Inventar der erzählerischen Mittel von Buch, Film, Hörspiel, Comic etc. zurückgreifen und übersteigen als genuin interaktive Medien gleichzeitig deren mediale Möglichkeiten. Im Kontext der Literaturwissenschaft können solche narrativ organisierten Spiele als Ergodische Literatur im Sinne von Espen Aarseth verstanden werden.
“In ergodic literature, nontrivial effort is required to allow the reader to traverse the text. If ergodic literature is to make sense as a concept, there must also be nonergodic literature, where the effort to traverse the text is trivial, with noextranoematicresponsibilities placed on the reader except (for example) eye movement and the periodic or arbitrary turning of pages.” (Espen J. Aarseth)
Entsprechend wird der Blick im Seminar zunächst auf das Spiel/das Spielen selbst (als „nontrivial effort“) und auf die möglichen Verbindungen von Erzählung und Spiel im Computerspiel gerichtet. Gemeinsam untersuchen wir narratologische Modelle, die dafür bisher vorgeschlagen wurden (bspw. von Kocher, Backe, Degler). In einem zweiten Schritt greifen wir auf Verfahrensweisen der Bild- und Filmwissenschaften zurück, um den Aspekt der spielerisch organisierten Narration (bzw. des narrativ organisierten Spiels) mit den Bildlogiken des Computerspiels verbinden zu können.

Computerspiele – Herausforderungen für den Deutschunterricht – Andreas Schöffmann, Marcel Schellong

Now, in the incunabular days of the narrative computer, we can see how twentieth-century novels, films, and plays have been steadily pushing against the boundaries of linear storytelling.
Janet Murray (1997) – Hamlet on the Holodeck. New York.

Computerspiele bieten neue Möglichkeiten des medialen Ausdrucks und werden damit Teil eines größeren Mediensystems, indem es – so Murrays These – schon vor der Entwicklung dieses neuen Mediums Versuche gab, über bestimmte Begrenzungen hinauszugehen. Hierbei entsteht aber nicht nur ein neuartiges Medium, das wir „Computerspiel“ nennen, sondern gleichzeitig konvergiert das gesamte Mediensystem und bildet neue Formen und Formate aus.
Im Kontext einer gesellschaftlichen und medial vermittelten Verhandlung von Realität, einer steigenden Bedeutung von Computerspielen als Kultur- und Wirtschaftsgüter und einer fortschreitende „Gamifikation“ in vielen Lebensbereichen (bis hin zum Vorstellungsgespräch) wirkt ein nur auf Literatur beschränkter Deutschunterricht anachronistisch. Zudem verhindert eine Kluft zwischen schulischen Lesewelten und privaten Rezeptionswelten, wie sie die KIM- und JIM-Studien aufzeigt, die nötige Unterstützung bei Prozessen der Individuation, Sozialisation und Enkulturation. Spielen und Erzählen bilden anthropologische Konstanten und finden im Computerspiel eine gemeinsame Basis, die im Deutschunterricht thematisiert werden sollte.
Dieser Kurs wendet sich an angehende Deutschlehrerinnen und –lehrer (HS/MS, RS, GYM), die sich den Herausforderungen des Computerspiels an den Deutschunterricht stellen wollen. Das Seminar findet in Kooperation mit dem fachwissenschaftlichen Hauptseminar „Computerspiele als ergodische Literatur“ und im Rahmen des Modellprojekts „Brückensteine“ statt. Die Zielperspektive der Kooperation ist es, eine fachwissenschaftlich (NDL) und fachdidaktisch (Literatur- und Mediendidaktik) abgesicherte Basis für die Verwendung von Computerspielen im Deutschunterricht bereitzustellen und – daran anschließend – einen kompetenten, selbstbestimmten Umgang mit Medien zu bilden.